09.04.25 „Deutschland nach der Wahl“ – eine Wahlnachlese

Die Bundestagswahl ist vorüber, Deutschland hat gewählt. Die spannende Frage ist, wie geht es weiter? Zu hoffen ist, dass sich eine Regierung finden wird, die Politik weiterhin auf der Basis von Kompromissen betreibt, was bekanntlich dem Wesen unserer parlamentarischen Demokratie entspricht.
Aber was lernen wir aus dieser Wahl, bei der der extreme Rand gestärkt und die demokratische Mitte geschwächt wurden? Wie führen wir eine als gespalten erlebte Gesellschaft wieder zusammen? Wie erreicht man eine Wählerschaft, die zu 20% ihre Stimme einer in Teilen als verfassungsfeindlich eingestuften Partei gegeben hat? Wie kann erreicht werden, dass in unserer Gesellschaft wieder Argumente ausgetauscht werden und einander zugehört wird, um tragfähige Lösungen für unser Land zu finden, das sich einer mehrdimensionalen, epochalen Krise gegenübersieht?
Diese Fragen diskutieren wir mit:
Prof. Ulrich Eith, Direktor Studienhaus Wiesneck
Martin Lienhardt, CDU-Stadtverbandsvorsitzender
Ida Kuner, Erstwählerin
Moderation: Andreas Menge-Altenburger

Pressebericht:

Wahlnachlese bei den „Anstößen“

Punktgenau zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen in Berlin haben die Anstöße, ein Diskussionsforum der beiden großen Kirchen, im Donaueschinger Gemeindesaal zu einem politischen Diskussionsabend unter der Moderation von Andreas Menge-Altenburger eingeladen. „Deutschland nach der Wahl – eine Nachlese“ war das Thema. Prof. Dr. Eith aus Freiburg, Leiter des Studienseminars Wiesneck, machte zunächst ein paar grundsätzliche Anmerkungen. Der zurückliegende Wahlkampf sei ungewöhnlich emotional gewesen aufgrund des Vertrauensverlustes der zerbrochenen Ampel-Regierung. Bei Licht betrachtet unerfüllbare Wahlversprechen von Kanzlerkandidat Friedrich Merz hätten bei vielen Wählern Erwartungen geweckt, die durch die Koalitionskompromisse nicht erfüllt worden seien. Dazu sei eine Krise der Wahrnehmung zu beobachten gewesen. Während die eigene wirtschaftliche Situation oft als gut oder zufriedenstellend empfunden wurde, sei der Blick auf die Gesamtlage des Landers eher pessimistisch gewesen und habe ökonomische Zukunftsängste hervorgerufen. Diese und die Sorge um Erhalt der eigenen, kulturellen Identität hätten zahlreiche Wählerinnen und Wähler der AfD in die Arme getrieben. Notwendig seien jetzt Formate, um Menschen mit unterschiedlichen politischen Positionen wieder ins Gespräch miteinander zu bringen und eine grundsätzliche Übereinkunft darüber, was den Wesensgehalt von Demokratie und Pluralismus ausmacht.

Martin Lienhard, Vorsitzender des Donaueschinger CDU-Stadtverbands und Gemeinderat, verteidigte zunächst erwartungsgemäß den Kanzlerkandidaten Merz gegen den Vorwurf, er habe mit der Ausweitung der Schuldenaufnahme seine Wahlversprechen gebrochen. Merz habe im Wahlkampf v.a. eine Reform der Schuldenpolitik für die Länder gefordert, und die Schuldenbremse sei im Grundgesetz nach wie vor fest verankert. Zu der Anmerkung, dass auf Grund der anstehenden Koalitionskompromisse kommunale CDU-Vorstände geschlossen zurückgetreten seien, erwiderte Lienhard nur, dass es in Donaueschingen keine Parteiaustritte gegeben habe, aber ein deutliches Rumoren zu spüren sei. Er wies auch darauf hin, dass Ausgaben aus den Sondervermögen strengen Regeln unterworfen seien und dass es nun darauf ankomme, die Gelder nicht mit der Gießkanne zu verteilen, sondern wirkmächtig einzusetzen. Auf den Vorwurf aus dem Publikum, die Parteien der Mitte hätten sich einen schlanken Fuß gemacht und ihre Informationsstände auf dem Marktplatz aufgestellt, anstatt in die Brennpunkte zu gehen, wo schwerpunktmäßig AfD gewählt wird, reagierte Lienhard mit dem Hinweis, dass öffentliche Wahlkampfauftritte auch auf dem Wochenmarkt leider oft mit Feindschaft und persönlichen Angriffen verbunden seien. Trotzdem sei er der Überzeugung, dass Menschen eher durch Emotionen zu gewinnen seien als durch Fakten, ein Umstand, der sich auch in Wirtschaft und Gesellschaft beobachten lasse. Eine hohe Wahlbeteiligung, in Donaueschingen lag sie mit 82,1 % sogar noch knapp unter dem Bundesdurchschnitt, zeige einen hohen Grad an Emotionalisierung, was aber auch ein Krisensymptom sein könne.

Als Vertreterin der Gruppe der Erstwähler war Ida Kuner, Abiturientin aus Villingen, eingeladen. Sie habe in ihrem Freundeskreis den Wahlkampf als untypisch und angespannt erlebt. Außerdem seien wichtige Themen wie Klimawandel und Fachkräftemangel kaum angesprochen worden. Die Tatsache, dass viele Erstwähler ihre Stimme der AfD gegeben haben, wollte sie nicht überbewerten. Die Wahlkampfmethoden der Parteien jenseits der Mitte hätten junge Leute eher angesprochen. Eine U18-Wahlsimulation an ihrer Schule habe ganz andere Ergebnisse zu Tage gefördert. Kuner bedauerte hingegen, dass die Zusammensetzung des neuen Bundestags die gesellschaftliche Zusammensetzung nicht widerspiegele, was sich besonders am Rückgang des Frauenanteils im Parlament bemerkbar mache.

Einigkeit herrschte auf dem Podium dahingehend, dass die kommende Regierung unter großem Erfolgsdruck steht angesichts der Demokratieskepsis in Teilen der Bevölkerung und wachsender Sympathie für einen autoritären Fürsorgestaat ohne langwierige Aushandlungsprozesse.
                                                                                                                               Bernd Heinowski

vlnr. Martin Lienhard, Ida Kuner, Andreas Menge-Altenburger, Prof. Eith       Bild: Heinowski

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